Das Zersingen von Weingläsern ist nicht ganz einfach, wie diverse Videos in Youtube zeigen. Nur wenigen Sängern, meistens Männern mit einer sehr kräftigen Stimme, ist dies bisher gelungen.
Janet Jackson gehörte meines Wissens nicht dazu, sie hat aber ein anderes Kunststück fertiggebracht.
Ein Hersteller von Notebooks hatte festgestellt, dass der Song „Rhythm Nation“ von Janet Jackson die Festplatten von Laptops crashen konnte.
Die Ursachensuche hat den Verantwortlichen damals sicher schlaflose Nächte bereitet, bis sich herausstellte, dass der Song eine natürliche Erregerfrequenz enthält, die für Festplatten zum Problem wird, die mit 5.400 U/min laufen. Interessant war, dass das Problem nur bei Laptops zu beobachten war, während Desktops mit den gleichen Festplatten kein Problem hatten. Der Hersteller wusste sich damals nicht anders zu helfen, als einen Filter zur Audioleitung zu installieren, der die kritische Frequenz herausfiltert.
So weit so gut. Aus dem Ingenieursstudium kennen die meisten das Video mit dem Einsturz der Tacoma-Narrows-Brücke im Jahr 1940, was auf eine wirbelerregte Resonanzschwingungen zurückgeführt wurde. So richtig nachvollziehbar ist das Ganze für den Laien auch nicht. Aber auch die Fachwelt ist sich nicht mehr ganz sicher, wie in Physics Today (https://physicstoday.scitation.org/doi/10.1063/PT.3.2991) nachzulesen ist.
Daher ist der Song von Janet mit dem anschließenden Festplattencrash aus den Augen eines Berechnungsingenieurs das einfachere Problem. Schließlich muss er sich neben der Strukturdynamik nicht auch noch mit Strömungseffekten und Ablösewirbeln herumschlagen, die sich gegenseitig beeinflussen. Im Fachjargon spricht man da von einer starken Fluid-Struktur-Interaktion bzw. Fluid Structure Interaction FSI. Nicht ganz einfach, auch mit Simulation.
Ich mag lieber den Weg vom einfachen zum komplexen Modell. Wenn jeder Schritt verstanden ist, kann man alles auch beliebig komplex machen. Leider scheitert das oft schon am grundlegenden Verständnis, was eine Eigenfrequenz bzw. eine Resonanz ist. Zumindest zeigen dies die Grundlagenfragen, die wir von der Merkle CAE Solutions GmbH potentiellen Mitarbeitern im Vorstellungsgespräch stellen.
Aber zurück zum eigentlichen Thema. Der Festplattencrash ist also ein strukturmechanisches Problem, was sich allein über FEM berechnen lässt.
Zu den Grundlagen. Was ist eine Eigenfrequenz? Wird ein Körper, sei es eine Klaviersaite, ein Getriebegehäuse oder eine Festplatte mit einem Hammer angeschlagen (wobei die Festplatte dies in der Regel nicht überlebt), schwingt er mit einer bestimmten Frequenz.
Dies ist in der Regel die erste Eigenfrequenz, die Einheit ist Schwingung pro Sekunde. Aus dem entstehenden akustischen Ton kann direkt auf die Eigenfrequenz geschlossen werden. Ein Körper könnte, einmal angeschlagen, beliebig lange mit dieser Frequenz schwingen, wenn es keine Reibung gäbe.
Bei einer Eigenfrequenz geht Bewegungsenergie in Spannungsenergie und dann wieder in Bewegungsenergie über usw. Dies ist wie bei einer Kinderschaukel, die angeschubst wird. Er (der Körper, nicht das Kind!) bekommt quasi durch den Hammerschlag ein Paket Energie mit.
Da Energie nie verloren geht, sondern nur in andere Energieformen umgewandelt wird, kann man sich die Reibung oder Dämpfung so vorstellen, dass ein kleiner Anteil des Energiepakets bei jeder Schwingung in Wärme umgewandelt wird. Deswegen schwingt eine Klaviersaite auch nicht unendlich lange, sondern wird immer leiser. Sie verliert nach dem Anschlagen langsam Energie, bis der Körper zu Schwingen aufgehört hat.
Eine Eigenfrequenz ist also eine typische Eigenschaft eines elastischen Körpers. Je weicher und je schwerer der Körper ist, desto niedriger ist also die erste Eigenfrequenz. Die Schwingungsformen nennt man Eigenmoden.
Jeder Körper hat aber nicht nur eine Eigenfrequenz, sondern unendlich viele, die sich zwar fast alle (zumindest endlich viele) berechnen lassen, in der Regel spielen aber die kleineren Eigenfrequenzen die wichtigste Rolle.
Wird ein Körper nun durch Energiepakete genau in einer Eigenfrequenz bombardiert, pumpt er sich immer mehr mit Energie voll, die Schwingungen werden immer größer, bis die Verformungen und Spannungen so hoch sind, dass das Material versagt.
Wie unsere Kinderschaukel, die immer im höchsten Punkt einen Stoß bekommt. Irgendwann fliegt das Kind von der Schaukel, was natürlich bei unseren sicherheitsfanatischen Helikoptereltern nicht mehr passieren kann. Wer schon vor Winnetou Angst hat…!
Sind die zugeführten Energiepakete etwas größer, spielen auch die kleinen Reibungspakete, die Energie entziehen, immer weniger eine Rolle.
Schauen wir uns an, was bei der Festplatte passiert. Ein Laptop ist im Vergleich zu einem Desktop Computer ziemlich steif. Schwingungen des Lautsprechers und des Gehäuses werden also direkt an die Festplatte übertragen. Es kommen also größere Energiepakete an, als bei einem weicheren Desktop.
Wenn die Festplatte also crasht, müssen Schwingungen auftreten, die höher sind als der Spalt zwischen dem Schreib-Lesekopf-Arm und der magnetischen Platte. Der Abstand ist übrigens wesentlich kleiner als die Dicke eines menschlichen Haares.
Dadurch kommt es zum Kontakt des Arms auf der Oberfläche, was dieser nicht guttut.
Was hat nun die Drehzahl damit zu tun? Die Magnetplatten einer Festplatte sind ziemlich dünn. Durch die Fliehkraft erhöhen sich die Eigenfrequenzen.
Würde eine Eigenfrequenz bei der Drehfrequenz von 5.400 U/min liegen, was 90 Hz entspricht, auftreten, wäre die Festplatte schnell hinüber.
Wie geht nun ein Berechnungsingenieur, zum Beispiel bei der Merkle CAE Solutions, an die Schadensfindung? Er bestimmt die Eigenfrequenzen der Festplatte im sich drehenden Zustand bei 5.400 U/min. Dann analysiert er die Erregerfrequenzen des Liedes und vergleicht sie mit den Eigenfrequenzen der sich drehenden Festplatte einschließlich aller Komponenten. Die Ursache für den Plattencrash ist dort, wo eine direkte Erregung entweder der Magnetplatte oder des Arms zu finden ist.
Wie aber kann das System aber optimiert werden?
Gehen wir also davon aus, dass sich Janet oder andere Künstler nicht vorschreiben lassen wollen, wie der Rhythmus ihrer Lieder zu sein hat. Also muss man irgendetwas an der Festplatte bzw. der Eigenfrequenz ändern.
Wir sprechen hier von primären und von sekundären Maßnahmen.
Die Primäre Maßnahme packt das Übel an der Wurzel: Verschiebung der Eigenfrequenz. Wie? Durch Änderung der Steifigkeit oder der Masse oder der Drehzahl.
Die Sekundäre Maßnahme versucht, die Erregung etwas kleiner zu machen. Ein akustischer Filter dämpft die kritische Erregerfrequenz, macht also die ankommenden Energiepakete kleiner. Ob das Lied aber dann genauso klingt? Das war die gewählte Lösung, um das Problem damals in den Griff zu bekommen. Vermutlich auch die billigste. Wegen eines Liedes die Konstruktion ändern und dann kommt es zu Problemen bei einem anderen Lied …?
Am besten ist immer, Eigenfrequenzen und Erregerfrequenzen eines Gerätes, einer Maschine oder eines Gebäudes bereits bei der Konstruktion zu kennen und dafür zu sorgen, dass sie genügend weit auseinander liegen.
Wie? Dafür gibt es ja die Merkle CAE Solutions GmbH!
Und wenn das Kind bereits in den Brunnen oder von der Schaukel gefallen ist? Dann sagen Ihnen die Ingenieure der Merkle CAE Solutions, mit welchen Maßnahmen Sie Schadensfälle „reparieren“ können oder auch in Zukunft vermeiden. Nur mal unter uns: Das sind z.B. Maschinenhallen, bei denen der Fußboden schwingt, Trockner, bei denen Wellen brechen oder Kompressoren, die zu laut sind bzw. zu stark vibrieren.
Ihr Stefan Merkle
PS: Wenn Sie sich das Lied „Rythm Nation“ mal anhören wollen: https://www.youtube.com/watch?v=OAwaNWGLM0c
PPS: Meine Audio Spektrum Analysator App auf meinem I-Phone sagt mir, dass die Peakfrequenz bei „Rythm Nation“ bei 198 Hz liegt. Mit dieser App an Maschinen vorbeizulaufen, die Schwingungsprobleme haben hat was 😊
PPPS:
Mein Computer und die Festplatten haben es überlebt. Ist ja auch kein Laptop 😉
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