Schon in der 8. Klasse beim Knallgasversuch im Physikunterricht wurde klar, dass Wasserstoff und Sauerstoff eine sehr innige und laute Verbindung eingehen können.
Wenn Wasserstoff und Sauerstoff also dicht beisammen sind, wie es sowohl in Brennstoffzellen als auch in Elektrolyseuren der Fall ist, sollte auch das Risikoszenario betrachtet werden, wenn es zu einem ungewollten Kontakt beider Reaktionspartner kommt.
Bevor wir uns weiter mit der eigentlichen Explosion beschäftigen, sollten wir für ein besseres Verständnis ein paar Dinge klären.
Der Unterschied zwischen Detonation und Deflagration liegt hauptsächlich in der Geschwindigkeit, mit der sich eine chemische Reaktion (wie z.B. eine Explosion) ausbreitet:
Zusammengefasst: Deflagration ist eine langsame Verbrennung (unterhalb der Schallgeschwindigkeit). Detonation ist eine sehr schnelle Explosion (oberhalb der Schallgeschwindigkeit) mit einer starken Stoßwelle.
Bei der Reaktion von Knallgas ist beides möglich und hängt von den Randbedingungen ab.
Die Machzahl gibt an, wie schnell ein Objekt im Vergleich zur Schallgeschwindigkeit ist. Bei Mach 1 fliegt es so schnell wie der Schall, bei Mach 2 doppelt so schnell. Werte unter Mach 1 sind langsamer als der Schall (Unterschall), Werte darüber schneller (Überschall).
Eine Explosionsfront ist die vordere Grenze einer sich ausbreitenden Explosion. Sie ist der Bereich, in dem sich der Druck und die Temperatur plötzlich und schnell erhöhen, während sich die Reaktion durch das Material oder die Umgebung ausbreitet. Die Explosionsfront bewegt sich oft in Form einer Stoßwelle voran und bringt die explosive Kraft und die Druckwelle mit sich.
Beim Elektrolyseur wird mit Hilfe von Strom Wasser in seine Bestandteile, Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt, um den Wasserstoff als Energieträger nutzen zu können. In der Brennstoffzelle wird aus der kontrollierten Zusammenführung von Wasserstoff und Sauerstoff Strom und Wasser erzeugt. Es ist also genau der umgekehrte Vorgang.
Etwas genauer:
Ein Elektrolyseur ist ein Gerät, das Wasser (H₂O) mithilfe von elektrischem Strom in seine Bestandteile Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff (O₂) zerlegt. Dabei fließt Strom durch zwei Elektroden, eine Anode und eine Kathode, wodurch an der Kathode Wasserstoff und an der Anode Sauerstoff entsteht.
Eine Brennstoffzelle besteht aus zwei Elektroden, einer Anode und einer Kathode, die durch eine Elektrolytmembran getrennt sind. Wasserstoff (H₂) wird an der Anode in Protonen und Elektronen aufgespalten, wobei die Protonen durch die Membran zur Kathode wandern, während die Elektronen einen externen Stromkreis passieren und elektrischen Strom erzeugen. An der Kathode reagieren die Protonen und Elektronen mit Sauerstoff (O₂) und bilden Wasser (H₂O) als Abfallprodukt.
Brennstoffzellen und Elektrolyseure haben somit prinzipiell einen ähnlichen Aufbau. Um möglichst kompakt und leistungsstark zu sein, werden aus Anoden- und Kathodenplatten bestehende Zellen übereinandergeschichtet und über sogenannte Endplatten miteinander verspannt.
Solange der Stack dicht ist und Wasserstoff und Sauerstoff voneinander getrennt sind, ist alles gut. Was aber passiert, wenn eine Zelle defekt ist, z. B. wenn eine Membran reißt und sich Wasserstoff und Sauerstoff ungewollt durchmischen?
Dann kann es lokal zu einer Explosion kommen, die auch benachbarte Zellen zerstören kann. Im Extremfall findet der gesamte Wasserstoff seinen geliebten Reaktionspartner Sauerstoff und geht eine exotherme Reaktion ein, die uns schon in der Schule beeindruckt hat, nur eben etwas arg viel mehr stärker.
Im Folgenden betrachten wir der Einfachheit halber einen Elektrolyseur.
Im Rahmen von Risikobetrachtungen muss das Verhalten von Elektrolyseuren bei einer Explosion im Versuch nachgewiesen werden. Diese Tests sind sehr aufwändig und teuer, zumal sie im Regelfall zu einem zerstörten Elektrolyseur führen. Der Versuch in der Praxis ist, dass das System oder Teile des Systems mit einem zündfähigen Wasserstoff- Sauerstoffgemisch geflutet werden und Zugänge nach außen geschlossen und abgekapselt sind. Die Zündung erfolgt über eine Zündquelle mit einem Funken.
Was aber, wenn der Versuch nicht bestanden wird, bzw. Effekte nicht ausreichend geklärt werden können? Dann hilft die Simulation – und damit Merkle CAE Solutions - weiter! Der Vorteil ist hier, dass der Rechner nicht zerstört wird und virtuelle Prototypen vergleichsweise wenig Geld kosten.
Die Frage an die Strömungsmechanik bzw. die Reaktionskinetik sind:
Hierbei können mit Hilfe der Simulation bei Merkle CAE Solutions verschiedenste Szenarien untersucht werden, sei es die Explosion in einer Zelle, in mehreren Zellen oder im gesamten Elektrolyseur.
Auch unterschiedliche Zusammensetzungen des Gemisches lassen sich so betrachten:
Unterstöchiometrisch, stöchiometrisch und überstöchiometrisch.
Stöchiometrisch bedeutet, dass jedes Sauerstoffatom zwei Wasserstoffpartner zum Reagieren hat. Fast wie in der Tanzschule… wobei da hat jeder nur einen Partner.
Unterstöchiometrisch bedeutet, Wasserstoffüberschuss, überstöchiometrisch zu wenig Wasserstoff. In beiden Fällen wird die Tanzfläche und damit das Gedränge weniger. Leider hinkt auch hier der Vergleich in unserer LGBTQ+ Gesellschaft. Die Chemie ist hier aber knallhart.
Kritisch ist also die stöchiometrische Mischung, da das komplette Volumen mit explosivem Gemisch gefüllt ist und hier die Explosionsenergie am größten ist.
Die Fragen an die Struktursimulation bzw. das Containment sind:
Auf keinen Fall darf zündfähiges Gemisch an die Umgebung abgegeben werden.
Die Darstellung der Ergebnisse der Explosion bei der Berechnung bei Merkle CAE Solutions zeigen, dass die Druckwelle sich durch die Zellen und den kompletten Elektrolyseur fortbewegt.
Die Temperatur in Nähe der Wand liegt bei etwa 2400 °C, die Druckwelle hat in der Spitze etwas mehr als 100 bar.
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Detonationsfront liegt bei Mach 0,75 und liegt damit noch im Unterschallbereich. Es handelt sich hier also um eine… Deflagration.
Mit diesen Daten kann man nun in eine strukturmechanische FEM-Berechnung gehen und überprüfen, ob die Festigkeit ausreichend ist. Hier ist dann meistens die Berechnung zu Ende, es spricht aber nichts dagegen, das Versagen des gesamten Gehäuses mit den ermittelten Druck- und Temperaturrandbedingungen in einem Crashmodell zu betrachten. Die Anforderung an die Praxis ist aber nicht, wie es versagt, sondern was man konstruktiv tun muss, damit es nicht versagt. Das ist aus berechnungstechnischer Sicht leider so, weil ich das Versagen spannender finde… Aber das ist nur meine persönliche Meinung. 😊
Und nun das Ganze dynamisch im Video:
Gerne können wir bei Merkle CAE Solutions auch Sie mit unserem einzigartigen Knowhow bei der Auslegung von Elektrolyseuren oder Brennstoffzellen unterstützen. Wir freuen uns auf Ihre Anfragen.
Ihr Stefan Merkle
PS: Mir gefällt Wasserstoff als Energieträger sehr gut, da er eine hohe Energiedichte aufweist.
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