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Die numerische Grillsaison ist ab sofort eröffnet!

Zum perfekten Steak - Dank CFD-Simulation

Merkle CAE Solutions Bild Grillen CFD Simulation Teaser

Nun ist es wieder Zeit, wenn das Wetter passt, den Grill anzuwerfen. Leider bekomme ich auf dem heimatlichen Gasgrill die Steaks nicht immer ganz perfekt hinsichtlich der Wünsche meiner Gäste hin.

Mit einem Fleischthermometer wäre das zwar möglich, scheitert aber in der Praxis spätestens dann, wenn bei mehreren Gästen nur ein Thermometer zur Verfügung steht.

Außerdem weiß der Profi-Griller doch intuitiv, wenn das Fleisch so weit ist, oder etwa nicht?

Tauchen wir in die Niederungen der Theorie mit Hilfe von chatGPT ein. Unser kleiner, alleswissender, elektronischer Klugscheißer gibt folgende Informationen heraus:

„Die Kerntemperaturen von Rindersteaks variieren je nach Dicke des Fleisches und der gewünschten Garstufe. Hier sind die typischen Kerntemperaturen für die drei gängigsten Garstufen:

  • Well Done: 70-75°C
  • Medium: 60-65°C
  • Rare/Medium-Rare: 50-55°C

Es ist wichtig, ein Fleischthermometer zu verwenden, um die Kerntemperatur genau zu messen, um eine perfekte Garstufe zu erreichen. Nach dem Grillen sollten Sie das Steak noch einige Minuten ruhen lassen, um das Fleisch zu entspannen und den Saft zu verteilen, bevor Sie es schneiden.“ (Habe ich zwar gar nicht gefragt, hat er/sie/es mir aber als Goodie ausgespuckt).

Auch chatGPT kann also nur mit einem Thermometer grillen. Viel lieber wäre es mir, wenn ich wüsste, wie lange das Fleisch auf dem Grill liegen und wann ich es idealerweise wenden muss. Uhr und Handy habe ich immer parat, ein Fleischthermometer in der Hosentasche birgt dagegen die Gefahr, ins falsche Gewebe einzudringen.

Mein Gasgrill sagt mir außerdem, welche Temperatur er hat und ich kann sie auch ziemlich gut konstant einstellen. Das hilft also weiter.

Versuchen wir es erstmal auf die analytische Methode.

Transiente thermische Probleme führen auf eine hässliche partielle Differentialgleichung vom Typ,

die sich nur für eindimensionale, symmetrische Sonderfälle und für drei definierte Randbedingungen lösen lässt und dann auf Lösungen in Form unendlicher Reihen führt. Nicht, dass ich das nicht draufhabe. Wer es nicht glaubt, dem schicke ich die komplette Lösung gerne in Form eines Mathematica Sheets. Das ist leider aber noch unbequemer als ein Fleischthermometer in der Hosentasche.

Sie haben es längst erraten; eine praktikable Lösung für unser Problem ist eine 3D-Berechnung mit Hilfe einer transienten 3D-CFD-Strömungssimulation. Wie gut, dass wir bei Merkle CAE Solutions für die Firma Kussmaul bereits einen Gasgrill berechnet haben, an dem wir das Ganze gleich testen können. Fehlen nur noch die Steaks.

Die Geometrie von Rindersteaks gibt es auch im Internet, draufgepackt und fertig ist unser Geometriemodell (siehe Bild 1).

Ein kleines Hindernis stellt sich noch: Wo gibt es passende Materialdaten, die wir für unser Steakmodell nutzen können?

Da sich manche Menschen wie Rindviecher verhalten, ist es naheliegend, dass die Werte hier nicht allzu weit auseinander liegen. Glücklicherweise gibt es im Netz hierzu eine Doktorarbeit, die uns alles liefert, was wir als Input für unser CFD-Simulationsmodell brauchen. Rindfleisch, Menschenfleisch, das passt schon. In der Not frisst der Teufel Fliegen (bin gespannt, wie die Übersetzung des Sprichworts ins Englisch dann aussieht 😊).

Die verwendeten Daten in der Zusammenfassung:

Den Link zur Dissertation habe ich Ihnen im Anhang beigelegt. Ist sehr interessant. Durch entsprechende Versuche kann man wohl in der Forensik feststellen, wie lange jemand schon tot ist.

Die mittlere Temperatur auf Grillebene haben wir mit 300°C eingestellt, der Rest, insbesondere auch die Temperatur der Gasflamme, ergibt sich aus dem Strömungsfeld. Da der Grill während des Grillens meistens geschlossen ist, bleibt der Deckel auch in unserer Simulation zu.

Wie lassen sich aber nun die beiden Steaks numerisch wenden? Hier ein genialer Trick, auf den ich schon ein bisschen Stolz bin: Durch Spiegelung der Temperaturverteilung beim Wenden.

Wir drehen also nicht das Steak, sondern nur das Temperaturfeld. Hierzu müssen wir numerisch den Deckel des Grills auch nicht öffnen, da die Wendezeit beim physischen Grillen im Vergleich zur gesamten Garzeit vernachlässigbar klein ist.

Eine bewegende und bewegte Zusammenfassung der Ergebnisse aus der CFD-Simulation finden Sie im nachstehenden Video. Achten Sie bitte unbedingt auf die akustische Untermalung beim Wenden der Steaks, das ist mir schon gelungen!

Um nun das Resultat unseres numerischen Grillens einschätzen zu können, schauen wir uns die Temperaturverteilung im Mittelschnitt der beiden Stakes zum letzten Zeitschritt nach insgesamt 600 Sekunden an (siehe Bild 3). Die minimale Kerntemperatur beträgt hier ca. 60°C.

Lässt man die Steaks wie empfohlen, jetzt noch etwas ruhen, gleicht sich die Temperatur dem Mittelwert an. Der liegt dann grob geschätzt bei 70°C.

Das entspricht einem Well Done. Das wäre also nichts für meine zarten Geschmacksnerven. Ich ziehe da eher Medium Rare vor.

Also, eine Grillzeit von 600 Sekunden = 10 Minuten (ca. 5 Minuten auf einer Seite) ist definitiv zu lang. Vermutlich tut es für meinen Geschmack etwas mehr als die Hälfte der Zeit auch.

Interessant ist auch der Vergleich mit einer analytischen Lösung. Hier ist nur das Problem, dass die Temperaturverteilung symmetrisch sein muss, d.h. es wird gleichzeitig von beiden Seiten gegrillt. Sonst gibt es keine bekannte Lösung dafür.

Bei gleichzeitigem Grillen auf beiden Seiten verkürzt sich die reale Gesamtzeit auf etwas mehr als die Hälfte.

Im nachstehenden Diagramm ist der analytische Verlauf der Kerntemperatur für dieses Szenario bei gleichmäßig vorgegebener Oberflächentemperatur von 300°C auf beiden Seiten des Steaks dargestellt.

Im Kontaktbereich des Steaks auf dem Gitterrost ist die vorgegebene Temperatur wohl die richtige Randbedingung, zwischen den Gitterstäben findet aber der Wärmeübergang nicht durch Leitung, sondern durch Konvektion statt. Daher dürfte der analytisch ermittelte Temperaturverlauf im Vergleich zur Realität, bzw. dem CFD-Modell zusätzlich etwas zu hohe Temperaturen ergeben.

Zurück zu meinem idealen Steak: Medium Rare wäre demzufolge nach 2,5 - 3 Minuten Grillen auf der einen Seite und 2,5 - 3 Minuten Grillen auf der anderen Seite erreicht. Das deckt sich auch gut mit meinen praktischen Erfahrungen.

Ich hoffe, Sie hatten Spaß beim Lesen und ich wünsche Ihnen für die kommende Grillsaison nicht nur perfekte Steaks und eine gechillte Zeit, sondern auch ein besseres Verständnis, was thermisch und physikalisch beim Grillen eines Steaks passiert.

Ihr Stefan Merkle

PS: Anbei der Link zu den Materialdaten:

https://www.db-thueringen.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00050563/DissSchenkl.pdf

Für das Mathematica Sheet mit der analytischen Lösung schicken Sie mir bitte eine kurze Mail mit dem Betreff: Grillen, analytische Lösung.

PPS: Danke an Carsten und Chadi für die 3D-Berechnungen.

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