Jeder, der einmal versucht hat, eine Waschmaschine im Schleudergang so zu beladen, dass sie auf Touren kommt, hat ein Gefühl, um was es bei dem Begriff Rotordynamik geht.
Idealerweise muss die Wäsche so verteilt sein, dass die Unwucht möglichst gering ist, was bedeutet, dass der Schwerpunkt möglichst dicht an der Trommelachse liegt.
Historisch kam das Thema Rotordynamik Ende des 19. Jahrhunderts auf, als die ersten Dampfturbinen auf den Markt kamen. Man stellte fest, dass nicht nur Dampfkessel explodieren können, sondern dass auch schnell rotierende Turbinen eine mindestens genauso große Gefahr darstellen können, wenn sie unzureichend konstruiert sind. Dies war die Geburtsstunde der Rotordynamik.
Um uns dem Thema weiter zu nähern, müssen wir wissen, was eine Eigenfrequenz ist. Jedes schwingungsfähige System (und das ist alles, was nicht unendlich steif ist) kann in typische Schwingungen versetzt werden, die unendlich lange anhalten würden, wenn es keine Dämpfung geben würde. Eine Klaviersaite, die angeschlagen wird, ist noch lange zu hören, der Ton wird aber immer leiser.
Die Dämpfung entspricht einer inneren Reibung, die Lautstärke des Tones und damit die Auslenkung der Saite nimmt ab.
Hört man genau hin, schwingen auch die Saiten mit, welche zu Oktaven des Tones gehören. Eine Oktave nach unten oder nach oben entspricht der halben oder der doppelten Frequenz. Diese Vielfachen bezeichnet man als Harmonische. Die Harmonischen werden bei einer Schwingungserregung mit betrachtet, sind aber weniger kritisch als die direkte Erregung eines Tones.
Jeder Körper, nicht nur eine Klaviersaite, besitzt unendlich viele Eigenfrequenzen, wobei im Regelfall die niedrigen Frequenzen von Interesse sind. Zu jeder Eigenfrequenz gehört immer eine Schwingungsform, der sogenannte Eigenschwingform (im Englischen auch „Mode“ genannt).
Auch Wellen, Rotoren oder Walzen besitzen solche Eigenfrequenzen und Eigenschwingformen. Man unterscheidet hier zwischen Biegeschwingungen (siehe Abbildung 1) und Torsionsschwingungen.
Kritisch sind auch hier die niedrigen Eigenfrequenzen, oft ist dies die erste Biegekritische, da sie durch immer vorhandene Unwuchten im System direkt erregt werden.
Die Kreiselwirkung, die es uns erlaubt, Fahrrad und Motorrad zu fahren, ohne umzukippen, hat auch bei rotierenden Scheiben einen Einfluss und verändert mehr oder weniger die Eigenfrequenzen nach oben oder unten (siehe Abbildung 2).
Je höher die Drehzahl ist, umso wichtiger ist es, diesen Einfluss zu berücksichtigen.
Kritisch wird es, wenn Erregerfrequenzen z.B. eine Unwucht bei einem Rotor mit Eigenfrequenzen zusammenfallen.
Dann wird durch eine Erregung das System mit mehr Energie vollgepumpt, als durch Dämpfung vernichtet wird. Die Auslenkungen werden immer größer und das System versagt. Dann braucht man eine neue Turbine und im Zweifelsfall ein neues Gebäude.
Aber nicht nur der Rotor ist ein schwingungsfähiges System, auch das Gehäuse, die Lagerung und das Fundament können schwingen. Diese Schwingungen beeinflussen sich gegenseitig.
Ich war einmal bei einem Pumpkraftwerk, bei dem die Drehzahl der Pumpe den gesamten Betonboden fühlbar in Schwingung versetzt hat. Kein Wunder, das es innerhalb kurzer Zeit zu Brüchen im Pumpengehäuse gekommen ist. Kennt man den Übeltäter, weiß man, was man in diesem Falle tun kann. Eine Stütze an der richtigen Stelle verschiebt die Eigenfrequenz der Deckenplatte so, dass die Resonanzen und Gehäusebrüche vermieden werden konnten.
Maschinen können unterkritisch oder überkritisch betrieben werden. Beim unterkritischen Betrieb liegt die Drehfrequenz unterhalb der ersten Eigenfrequenz. Beim überkritischen Betrieb wird eine kritische Frequenz beim Hochlaufen der Maschine möglichst schnell durchfahren.
Um bei unserem Beispiel der Waschtrommel zu bleiben: Die Lagerung ist hier relativ weich, das System wird also überkritisch betrieben. Beim Schleudern muss die Trommel schnell auf Touren kommen, um diese kritische Frequenz schnell zu durchfahren.
Gelingt dies nicht, weil die Unwucht durch die Beladung zu groß ist, schlägt die Trommel an und kommt gar nicht soweit auf Touren, dass die Wäsche trocknet.
Durch ein geeignetes FEM-Rechenmodell können alle Effekte der Rotordynamik und der Schwingung bestimmt werden und entweder der rechnerische Nachweis für eine normgerechte Auslegung geführt oder potentielle Schwachstellen aufgezeigt und optimiert werden.
Insbesondere bei Maschinen mit hohen Drehzahlen, z.B. Getriebe, Verdichter, Turbinen, Zentrifugen oder Walzen ist die Rotordynamik neben dem Nachweis der Fliehkraftspannungen ein unverzichtbarer Bestandteil einer sicheren Auslegung.
Die Berücksichtigung der Effekte durch die Kreiselwirkung, sowie anderer Effekte wie Spin-softing oder Spannungsversteifung erfordern entsprechendes Know-How beim Einsatz entsprechender Programme.
Gerne sind wir Ihnen behilflich, um einen entsprechenden Nachweis der Rotordynamik zu führen. Wir sind hier mit allen gängigen Normen bestens vertraut.
Schicken Sie uns eine kurze Mail mit dem Stichwort "Rotordynamik". Wir beraten Sie gerne und unverbindlich.
Ihr Stefan Merkle
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