Immer wieder kommt es beim Transport von explosiven Gasen zu Unfällen, bei denen Gasleckagen zu einer Explosion geführt haben.
Dabei sind die gewerblichen Gastransporte oft gar nicht das Problem. Hier ist in der Regel das Bewusstsein vorhanden, dass ein gefährliches Gut transportiert wird. Viel kritischer ist es, wenn eine geringe Leckage einer Gasflasche in einem Handwerkerfahrzeug oder einem Wohnmobil vorhanden ist, die unbemerkt bleibt. Zu oft ist der Fahrer sich des Risikos gar nicht bewusst.
Um solche Unfälle in Zukunft besser zu vermeiden, arbeite ich bei EUMOS – der European Safe Logitics Association – einem Verband, der sich für die Verbesserung der Sicherheit in der gesamten Logistikkette einsetzt, an der Ausarbeitung entsprechender Normen mit.
Hierzu haben wir in Eigenregie verschiedene Simulationen durchgeführt, um zu untersuchen, ob eine eventuell vorgesehene Zwangsbelüftung von Vans und Transportern überhaupt zielführend ist.
Aber alles der Reihe nach. Wann besteht bei einem Gas-Luftgemisch überhaupt Explosionsgefahr?
Dies ist bei einer bestimmten Gaskonzentration der Fall, die durch die untere und die obere Explosionsgrenze des jeweiligen Gases definiert sind. Befindet sich die Gaskonzentration innerhalb dieses Bereiches, besteht Explosionsgefahr.
Es gibt explosive Gase, die schwerer sind als Luft und es gibt welche, die leichter sind als Luft.
In unseren CFD-Simulationen haben wir Propan betrachtet, welches etwas schwerer als Luft ist. Die untere Explosionsgrenze liegt hier bei 4%, die obere Explosionsgrenze bei 10,8%.
Bei einem fahrenden Fahrzeug, wie in unserem Beispiel einem Transporter, ist durch die Fahrzeuginnenklimatisierung bzw. geöffnete Fenster ein Luftaustausch gewährleistet. Was passiert aber, wenn ein Gasleck vorhanden ist und der Transporter steht?
Abhängig von der Leckage-Menge ist die Entstehung eines zündfähigen Gemischs und der entsprechenden Explosionsgefahr nur eine Frage der Zeit, die von wenigen Minuten bis hin zu mehreren Tagen dauern kann.
Bei hohen Leckagen im Bereich mehrerer Liter pro Sekunde kann eine Leckage vermutlich bereits durch die Ausströmgeräusche wahrgenommen werden. Bereits nach wenigen Sekunden ist hier auch ein explosives Gemisch vorhanden.
Besonders kritisch sind bei stehenden Fahrzeugen jedoch eher kleine Leckage-Ströme.
Um uns dem Thema über eine CFD-Simulation zu nähern, betrachten wir im Folgenden einen Fiat Ducato (siehe Abbildung 1), der zufällig sogar die gleiche Farbe hat, wie unser Wohnmobil der Marke Malibu. Schließlich möchte ich ja auch wissen, was Sache ist, wenn ich mit meiner Frau unterwegs bin.
Welche Möglichkeiten gibt es nun, eine mögliche Explosionsgefahr zu verringern?
Normen haben die Eigenheit, dass sie komplexe Zusammenhänge möglichst einfach darstellen müssen und wirksame Maßnahmen vorschlagen sollten, die in der Praxis auch funktionieren. Leider klappt das so nicht immer…! Gerne landet man dann bei den Bedenkenträgern, die auf grundsätzlich sehr konservative Ansätze noch einen weiteren Sicherheitsfaktor draufschlagen, damit ja nichts passiert.
Es gibt einen Spruch, dass selbst der Dümmste etwas noch komplizierter machen kann, die Vereinfachung und die Konzentration auf die wesentlichen Einflussfaktoren aber eher etwas für intelligente Menschen und Genies sind. Daher versuchen wir im Sinne einer umsetzbaren, sinnvollen Norm, uns der intelligenteren Seite anzuschließen.
Wenn man die Leckage also nicht ausschließen kann, was kann man dann tun?
Man kann das Gas erkennen, z.B. über einen Sensor und man kann es soweit verdünnen, bis die Konzentration unschädlich ist. Eine Übersättigung, also eine Gaskonzentration oberhalb der oberen Explosionsgrenze scheidet aus Gründen der Vernunft wohl eher aus, schließlich muss der Mensch auch atmen.
Das Verdünnen kann über einen Ventilator erfolgen, der das gasgeschwängerte Gemisch aus dem Van oder Transporter nach draußen und frische Luft in das Fahrzeug befördert.
Also braucht es einen Einlass und einen Auslass, sonst würde je nach Förderrichtung des Ventilators ein Vakuum entstehen oder der Transporter irgendwann mal platzen. Beides natürlich nur theoretisch 😉.
Verschiedene CFD-Simulationen zeigen, dass das beste Resultat erzielt wird, wenn im Dach das Gas ausgeblasen wird und am Boden ein Loch die Zufuhr von Frischluft ermöglicht.
Welche Leistung benötigt nun ein Ventilator, damit er wirksam ist und die Explosionsgefahr sinkt? Zum Vergleich, unter meinem Tisch steht ein PC mit einem Ventilator, der etwa 130 m³/h fördert. Ein Versuch ist es wert. Klar ist, wenn die Leistung des Ventilators zu hoch ist und er längere Zeit läuft, ist die Batterie leer. Das mindert zwar auch das Explosionsrisiko mangels Zündfunke, aber ein Fahrzeug ist ja schließlich auch zum Fahren da.
Kann ein Ventilator mit 20 W dafür sorgen, dass bei einer Leckage von 1 l/min in einem Ducato kein zündfähiges Gemisch entsteht?
Die Antwort vorweggenommen: Ja, er kann!
Bei gleicher Leckage entsteht nach ca. 300 Sekunden lokal ein explosionsfähiges Gemisch, während bei laufendem Ventilator die Konzentration auch nach 15 h weit unterhalb der unteren Explosionsgrenze liegt.
Video 1 zeigt die Ausbildung der explosionsfähigen Bereiche zwischen unterer und oberer Explosionsgrenze ohne Ventilator, Abbildung 2 die Konzentration in einer wesentlich feineren Auflösung nach 15 h. Die maximale Konzentration ist sehr viel kleiner als die untere Explosionsgrenze von 4% bzw. 0,04.
Weitere Erkenntnisse aus unseren CFD-Simulationen sind:
Die wesentlichen Kennzahlen sind das Volumen des Vans und der Leckage-Strom.
Die Art des Gases spielt dagegen bei einer Zwangsbelüftung eine untergeordnete Rolle. Ohne Belüftung sinkt natürlich ein schwereres Gas nach unten, während ein leichteres Gas sich oben konzentriert. Findet aber eine erzwungene Luftbewegung statt, ist dieser Effekt untergeordnet
Einbauten wie Tische, Sitze und Schränke in einem Wohnmobil haben vermutlich ebenfalls einen eher untergeordneten Einfluss, sofern sich das Gas nicht irgendwo sammeln kann. Ebenso sind die Positionen des Ventilators im Dach und des Lufteinlasses im Boden des Vans nicht von so ausschlaggebender Bedeutung.
Intelligent wäre somit eine Lösung mit einem Gassensor, der einen Ventilator dann ansteuert, wenn Gas erschnüffelt wird und dann auch eine Meldung abgibt, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Technisch sollte das kein Hexenwerk sein und bezahlbar bleiben.
Die CFD-Simulationen zeigen auch hier, was sonst unsichtbar ist und helfen, intelligente Lösungen zu finden.
Bis die Norm fertig ist, wird noch etwas Zeit ins Land gehen, schließlich gilt es, die Rahmenbedingungen und die Grenzen festzulegen. Wenn es aber soweit ist, informiere ich Sie gerne.
Ihr Stefan Merkle
PS: Wussten Sie übrigens, dass bei Kältemaschinen Vorschriften herausgekommen sind, dass hier die herkömmlichen Kältemittel durch Propan ersetzt werden sollen und das Propan ein explosives Gas ist? Klar, ein Van ist ein Van und eine Kältemaschine ist eine Kältemaschine. Aber ob es explodieren kann, kann man in beiden Fällen über CFD-Simulationen herausfinden. Vielleicht von jemanden, der sich damit auskennt…? Ich wüsste da jemanden!
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
vielen Dank für die Info und die Simulation.
Soweit ich weiß müssen bei Wohnmobilen die Propangasflaschen in einem 'dichten' Schrank stehen, der unten eine Entlüftungsöffnung hat. Propangas ist schwerer als Luft, macht also Sinn nach unten zu entlüften. In Wohnmobilen wird auch übernachtet, daher sind auch sehr hohe Gaskonzentrationen gefährlich, auch wenn diese nicht explosionsfähig sind. Ein Gassensor ist hier wichtig.
Wie das bei den Handwerkern geregelt ist weiß ich nicht.
Grüße aus Neu-Ulm
Harald Rebien
der Artikel ist für mich gerade interessant, da mein Sohn gerade einen Linienbus zum WoMo ausbaut und wir gerade dabei sind eine Gastherme zu installieren.
Uns wurde gesagt, dass man neben der Gasflasche eine Lüftungsöffnung im Boden benötigt, da das Gas schwerer als Luft ist.
Sie bevorzugen in Ihrem Artikel aber den Abzug durchs Dach. Weshalb nicht durch den Boden ?
Mit freundlichen Grüßen
Armin Ehni