Merkle & Partner hat sich schon sehr früh mit der Berechnung von Windkraftanlagen, insbesondere den Getrieben beschäftigt. Lange bevor die Energiewende dazu führte, dass Windkraftanlagen an allen möglichen und unmöglichen Stellen gebaut wurden.
Die Schwierigkeit bei der Berechnung ist, dass für die maximal zu erwartenden Lasten kein dauerfester Nachweis mehr möglich ist. Man denke nur an orkanartige Böen, die zu kurzzeitigen Lastspitzen führen, die aber innerhalb der Lebensdauer einer Windkraftanlage nur selten auftreten. Hier helfen Messungen bei bestehende Anlagen weiter, aus denen ein sogenanntes Lastkollektiv abgeleitet werden kann. Aus der Messung zählt man die Häufigkeiten von Ereignissen und die dazugehörigen Lastamplituden. Dies kann man sich anhand eines einfachen Beispiels verdeutlichen.
Betrachtet man einen Stuhl, auf dem Menschen unterschiedlicher Gewichtsklassen sitzen. Angenommen, ein Sumoringer mit 180 kg setzt sich 10 mal auf den Stuhl, bis dieser zusammenbricht. Eine schwergewichtige Person mit 120 kg kann sich 1000 mal setzen. Personen, die weniger als 80 kg wiegen, können beliebig oft Platz nehmen, ohne das der Stuhl bricht. Hier spricht man davon, dass der Stuhl dann für dieses Gewicht dauerfest ist.
Würde man nun folgende Klassen bilden: 0-80 kg, 80-120 kg und 120-180 kg und zählen, wie oft Personen der jeweiligen Gewichtsklassen im Laufe eines Stuhltages Platz nehmen, könnte man vorhersagen, wie lange die zu erwartende Lebensdauer dieses Stuhls ist. Man geht nun davon aus, dass das Lastkollektiv - um nichts anderes handelt es sich hier - jeden Tag das Gleiche ist.
Die Schädigung des Stuhls beträgt z.B. bei einer Person der Gewichtsklasse 80-120 kg bei 200 Lastwechseln (1 Lastwechsle ist 1 x Hinsetzen und 1 x Aufstehen) 200/1000=0,2. In unserem Bespiel nehmen an einem Messungstag 13 Personen der Gewichtsklasse 0-80 kg, 5 Personen der Gewichtsklasse 80 -120 kg Platz und man weiß, dass einmal im Jahr ein Sumoringer zu Besuch kommt. So ergibt sich die Schädigung des Stuhls an diesem Tag mit 5/10000 + 1/(365 *10)=0,0008.
Bei der Schädigung 1 bricht theoretisch der Stuhl. Dies ist also nach 1/0,0008=1.250,0 Tagen bzw. 1250/365=3,4247 Jahren der Fall.
Personen bis 80 kg tragen nicht zur Schädigung bei, da es hier ja auch bei sehr großen Lastwechselzahlen zu keinem Bruch kommt.
Haben Sie das Beispiel verstanden, haben sie die Vorgehensweise mit den Getrieben von Windkraftanlagen mit gemessenen Lastkollektiven verstanden. Im Grunde misst man, welche Spannungswechsel mit welcher Häufigkeit auftreten, berechnet die Schädigungen davon an jeder Stelle, summiert die Schädigungen auf und stellt sie farbgrafisch dar.
Laststufen helfen dabei, die Lastkombinationen nicht ins Unendliche wachsen zu lassen. Wie bei unserem Stuhlbeispiel gezeigt, wird den Gewichtsklassen die Schädigungen des höchsten Gewichtes zugewiesen. Dieser Ansatz ist also konservativ, d.h. er liegt auf der sicheren Seite.
Rechnet man den gemessenen Zeitraum auf die zu gewährleistende Lebensdauer hoch, sollte die Schädigung an jeder Stelle kleiner 1 sein.
Etwas komplizierter wird es, wenn die Lastrichtung sich bei unterschiedlichen Lastfällen ändert, wenn sich also die Richtung der Hauptspannungen ändert. Dem kann Rechnung getragen werden, wenn man entsprechende Tools, wie z.B. FEMFAT zur Lebensdauerberechnung einsetzt. Bekannt sein müssen also die Einzellastfälle, die möglichen Lastfallkombinationen (welche Lastfälle gleichzeitig auftreten können) und die Lasthäufigkeit. Für die Übernahme und Einteilung der Spannung in entsprechende Klassen gibt es zwischenzeitlich sehr gut funktionierende Softwarelösungen.
Die Schädigungsuntersuchungen von Getriebekomponenten von Windkraftgetrieben zeigten, dass wenige Lastfälle bzw. Lastkombinationen für einen Großteil der Schädigung verantwortlich sind. Durch Variantenstudien der kritischen Bereiche konnten diese gezielt optimiert und damit die Gesamtlebensdauer erhöht werden. Als Optimierungsziel konnte direkt die Schädigung gewählt werden, die es zu minimieren galt. Der große Vorteil bei dieser Vorgehensweise ist, dass nicht viele Lastfälle gleichzeitig zu betrachten sind, sondern man sich auf eine einzige zu optimierende Größe konzentrieren kann.